Fokus Iran - Einblicke in ein verschlossenes Land

Durch die aktuellen Proteste rückt der Iran vermehrt in den Fokus, und mit ihm die iranischen Filmkünstler. Am Anfang der Bewegung wurden zwei der bekanntesten iranischen Regisseure, Jafar Panahi und Mohammad Rasoluf, nach öffentlichen Protesten verhaftet – dass das Kino mit der Staatsmacht in Konflikt gerät, hat eine lange Tradition im Iran.
Das iranische Kino hat eine lange Geschichte, die bis in die 1930er Jahre zurückreicht. In den frühen Jahren wurden vor allem Dokumentarfilme produziert, die das Leben und die Kultur des Landes zeigten. In den 1960er Jahren erlebte das iranische Kino eine Blütezeit, als viele junge Filmemacher in das Medium einstiegen und neue Formen des Kinos entwickelten. Nach der Islamischen Revolution von 1979 veränderte sich das iranische Kino dramatisch. Die neue Regierung führte eine strenge Zensur ein und viele Filmemacher flohen ins Ausland oder hörten ganz auf. Dennoch entwickelte sich eine neue Generation von Filmemachern, die den Fokus auf soziale und politische Themen legten und subtile Wege fanden, ihre Botschaften zu überbringen. Erst mit der relativen Öffnung des Landes in den 90er Jahren konnte das Kino an die vorrevolutionären Traditionen anknüpfen.
Seitdem feiert das iranische Kino auch international große Erfolge: 1997 gewinnt Abbas Kiarostami mit „Der Geschmack der Kirsche“ die Goldene Palme in Cannes, 2012 erhält Ashgar Farhadis den Oscar für „Nader und Simin“. Die Regisseure nutzen das Kino als Medium, um die komplexen sozialen und politischen Realitäten des Iran zu porträtieren. Gleichzeitig kämpft der iranische Film permanent mit der Zensur. 2010 wird der Jafar Panahi zu 20 Jahren Berufsverbot verurteilt – was ihn nicht davon abhält, weiter Filme zu machen. Sein außer Landes geschmuggelter Film „Taxi Teheran“ gewinnt 2015 den Goldenen Bären der Berlinale.
Iranisches Kino ist bekannt für subtile Erzählungen, für eine unverwechselbare visuelle Ästhetik und sozialkritische Themen. In unserer Filmreihe zeigen wir eine Auswahl an Filmen, die einen Einblick in die Kultur und die Gesellschaft des Landes ermöglichen. Die iranisch-stämmigen Regisseure zeigen uns ihre ganz eigene Perspektive auf das Land und beweisen eindrucksvoll, weshalb das iranische Kino einen wichtigen Platz in der Geschichte des Weltkinos hat.
Die Filmreihe in der Übersicht:
Sa, 4.3. | Drei Gesichter (17.30 Uhr), Nader und Simin (20 Uhr)
Sa, 11.3. | Holy Spider (21.30 Uhr)*
Do, 30.3. | Persepolis (20 Uhr)
So, 23.4. | No Land’s Song (16.30 Uhr), Doch das Böse gibt es nicht (19 Uhr)
Mi, 17.5. | Raving Iran (19 Uhr), A Girl Walks Home Alone At Night (21 Uhr)
Eintritt frei – keine Reservierung notwendig (*außer 11.3. – Eintritt 6 EUR)
Einlass jeweils 30 Minuten vor Filmbeginn

Drei Gesichter
Samstag, 4.3., 17.30 Uhr
Die bekannte iranische Schauspielerin Behnaz Jafari erhält eine Videobotschaft eines weiblichen Fans. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem Regisseur Jafar Panahi, macht sie sich auf die Suche nach dem Mädchen. Die Reise in den Norden des Landes bringt überraschende Begegnungen: Dorfbewohner, die einspurige Bergstraßen mit cleveren Hupcodes passierbar machen; alte Frauen, die in ausgehobenen Gräbern Probe liegen, und potente Zuchtbullen, die den Weg versperren. Im Bergdorf des Mädchens angekommen, versuchen die beiden das Geheimnis um das Video endlich zu lösen.
Nach dem Berlinale-Gewinner „Taxi Teheran“ nimmt uns Jafar Panahi in seinem liebevollen Roadmovie DREI GESICHTER erneut mit auf eine pointenreiche Fahrt durch seine Heimat. Mit Humor und Herzlichkeit gelingt dem iranischen Regisseur ein hoffnungsvolles Plädoyer für Freiheit und Menschlichkeit, das aktueller und globaler nicht sein könnte. Ein intelligentes Kinovergnügen, das in Cannes die Palme für das Beste Drehbuch gewann.
(Iran 2018, 100 Min., FSK: 12, R: Jafar Panahi | OmU | Trailer bei Youtube)

Nader und Simin – Eine Trennung
Samstag, 4.3., 20 Uhr
Sie lieben sich, doch die Umstände treiben sie auseinander: Simin will die Scheidung, um mit ihrer Tochter das Land zu verlassen. Nader weigert sich mitzugehen, er möchte seinen an Alzheimer erkrankten Vater nicht zurücklassen. Als der Richter die Scheidung verwehrt, zieht Simin zurück zu ihren Eltern. Nader engagiert für die Pflege seines Vaters die junge Mutter Razieh. Doch die arbeitet ohne Erlaubnis ihres Ehemanns – und erwartet ein weiteres Kind. Mit der Pflege des verwirrten Mannes ist sie schon bald überfordert und es kommt zu einer folgenschweren Auseinandersetzung.
Meisterhaft und emotional erzählt der iranische Regisseur Asghar Farhadi, wie Menschen in einer unfreien Gesellschaft leben. NADER UND SIMIN porträtiert das Schicksal zweier Familien im Iran – die eine aus dem modernen Mittelstand, die andere aus streng gläubigen, ärmeren Verhältnissen – bei einer aufreibenden Suche nach den vielen Gesichtern der Wahrheit. Auf der Berlinale 2011 gewann das Drama den Goldenen sowie zwei Silberne Bären und wurde von Presse wie Publikum umjubelt.
(Iran 2011, 123 Min., FSK: 12, R: Asghar Farhadi | OmU | Trailer bei YouTube)

Holy Spider
Samstag, 11.3., 21.30 Uhr
Eine Reihe von unaufgeklärten Morden an Prostituierten hält die Heilige Stadt Maschhad im Nordosten des Iran in Atem: „Spinnenmörder“ nennen sie den Serienkiller, der von sich glaubt, die Arbeit Gottes zu verrichten, indem er die Straßen vom Dreck befreit. Während die Behörden tatenlos zusehen, wie der Mörder ein Opfer nach dem anderen in sein Netz lockt, kommt die Journalistin Rahimi dem Täter immer näher. Entsetzt muss sie feststellen, dass er von vielen Menschen in der Stadt als Held gefeiert wird, und seine Verurteilung mehr als ungewiss scheint.
Basierend auf einem wahren Kriminalfall, realisierte der gefeierte iranischstämmige Regisseur Ali Abbasi („Border“) einen ebenso packenden wie ungewöhnlichen Thriller, der weit mehr zu bieten hat als pure Spannung und Nervenkitzel: Mit der großartigen Zar Amir Ebrahimi in der Hauptrolle der jungen, mutigen Journalistin ist HOLY SPIDER ein gewagter Drahtseilakt, der ein ganz anderes Bild des Iran zeichnet, als man es bisher aus Filmen kennt. Ebrahimi wurde bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes zur besten Schauspielerin gekürt.
(Dänemark, Deutschland, Frankreich, Schweden 2022, 117 Min., FSK: 16, R: Ali Abbasi | OmU | Trailer bei YouTube)

Persepolis
Donnerstag, 30.3., 20 Uhr
Marjane ist acht Jahre alt, als die Mullahs den Schah aus Persien vertreiben und die Macht übernehmen. Die Welt ist auf einmal eine andere, aber das rebellische Mädchen denkt gar nicht daran, sich den neuen strengen Regeln zu unterwerfen. Viel lieber entdeckt sie den Punk, ABBA, Iron Maiden und natürlich Jungs. Sie ahnt nicht, dass ihr spielerischer Protest gefährlich ist ... nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Familie.
Basierend auf den gleichnamigen, autobiografischen Kult-Comicromanen der 1969 im Iran geborenen Marjane Satrapi entstand ein unkonventioneller, spannender und zutiefst menschlicher Zeichentrickfilm für Erwachsene. Leichthändig, schwung- und humorvoll, aber keineswegs am Ernst des Themas vorbei erzählt PERSEPOLIS eine ebenso persönliche wie universelle Geschichte. Die alltäglichen Zwänge in einem repressiven Land werden ebenso nachvollziehbar wie die Sehnsucht nach einem Platz in der Gemeinschaft und die Schwierigkeit, sich selbst treu zu bleiben.
(Frankreich 2007, 95 Min., FSK: 12, R: Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud | Trailer bei YouTube)

No Land’s Song
Sonntag, 23.4., 16.30 Uhr
Seit der Revolution von 1979 ist es Frauen im Iran nicht gestattet, öffentlich vor männlichem oder gemischtem Publikum als Solistin aufzutreten. Die junge Komponistin Sara Najafi widersetzt sich und ist fest entschlossen, in ihrer Heimatstadt Teheran ein Konzert für weibliche Solosängerinnen zu organisieren. Mit viel Energie, nicht endender Willenskraft und ihrer Liebe zur Musik lehnt sich die junge Frau gegen die Sturheit eines Systems auf, ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit.
Zu Ehren der legendären iranischen Sängerin Quamar stellt Sara Najafi mit Hilfe französischer und tunesischer Musikerinnen ein Konzert auf die Beine, während ihr Bruder und Regisseur Ayat Najafi ihre jahrelangen Auseinandersetzungen mit der Kulturbürokratie mit der Kamera begleitet. Der dramaturgisch spannende, lebendige und vielschichtige Dokumentarfilm zeichnet ein sehr direktes, mitunter sarkastisches Bild des Lebens unter der Mullah-Diktatur. Zugleich erzählt er viel über die iranische Gesellschaft und die Rolle der Musik als Sphäre der Freiheit.
(Deutschland, Frankreich 2014, 90 Min., FSK: 0, R: Ayat Najafi | OmU | Trailer bei YouTube)

Doch das Böse gibt es nicht
Sonntag, 23.4., 19 Uhr
Heshmat ist ein vorbildlicher Ehemann und Vater, jeden Morgen bricht er sehr früh zur Arbeit auf. Wohin fährt er? Pouya kann sich nicht vorstellen, einen anderen Menschen zu töten, trotzdem bekommt er den Befehl. Kann es einen Ausweg für ihn geben? Javad besucht seine Freundin Nana um ihr einen Heiratsantrag zu machen. Doch dieser Tag hält für beide noch eine andere Überraschung bereit. Bahram ist Arzt, darf aber nicht praktizieren. Als ihn seine Nichte Darya aus Deutschland besucht, beschließt er, ihr den Grund für sein Außenseiterdasein zu offenbaren.
DOCH DAS BÖSE GIBT ES NICHT erzählt vier Geschichten über Menschen, deren Leben vor existenziellen Herausforderungen stehen. Sie werfen die Fragen auf, wie integer ein Mensch in einem absoluten Regime bleiben, welche moralische Schuld er ertragen kann, ohne zu zerbrechen, und zu welchem Preis es gelingt, die individuelle Freiheit zu bewahren.
(Deutschland, Tschechische Republik, Iran 2020, 150 Min., FSK: 12, R: Mohammad Rasoulof | OmU | Trailer bei YouTube)

Raving Iran
Mittwoch, 17.5., 19 Uhr
Arash und Anoosh sind die Helden von Teherans Underground-Techno-Szene. Müde und desillusioniert vom ewigen Versteckspiel und ihrer stagnierenden Karriere, organisieren sie einen letzten illegalen Rave in der Wüste. Zurück in Teheran versuchen sie vergeblich, ihr illegales Musikalbum unter die Leute zu bringen. Als Anoosh auf einer Party verhaftet wird, erlischt auch der letzte Funken Hoffnung auf eine Zukunft im Iran. Doch dann erreicht sie eine Einladung aus Zürich zur größten Techno-Party der Welt. Nach langem Bangen erhalten die beiden ein Fünf-Tage-Visum. Die Euphorie verfliegt jedoch schnell, denn die näher rückende Abreise stellt sie vor eine große Entscheidung…
Der unter erschwerten Bedingungen gedrehte Dokumentarfilm RAVING IRAN gibt seltene Einblicke in den Alltag und die elektronische Musikszene Irans und erzählt vom Freiheitsdrang einer jungen und globalisierten Generation, die sich mit aller Macht den willkürlichen Regeln einer iranischen Theokratie widersetzt.
„Susanne Regina Meures hat einen Dokumentarfilm gedreht, dessen Plot wie ein Thriller funktioniert, mit großartigem Sound und fantastischen Bildern (…) Eine weniger sentimentale und dringlichere Doku über Leute, die darüber nachdenken, sich um Asyl in Europa zu bewerben, habe ich noch nicht gesehen. Einen besseren Film über House auch nicht.“ (Indiekino)
(Schweiz 2016, 84 Min., FSK: 6, R: Susanne Regine Meures | OmU | Trailer bei YouTube)

A Girl Walks Home Alone At Night
Mittwoch, 17.5., 21 Uhr
In der iranischen Geisterstadt Bad City tummeln sich die Erschöpften und Verbrauchten, Gesetzlose und ihre Opfer, die Wände schwitzen Verbrechen aus ihren Poren. Doch kaum einer, der hier lebt, ahnt, dass in dieser Stadt auch ein stiller Vampir umgeht, ein Vampir auf Rädern. Verhüllt in einen Tschador durchstreift sie Nacht für Nacht die Stadt auf ihrem Skateboard und erleichtert Bad City um so manches widerliche Subjekt. Arash, der die Schulden seines Vaters begleichen muss, und das namenlose Vampir-Mädchen freunden sich langsam an. Und eine zarte Liebesgeschichte entsteht an einem Ort, an dem eigentlich kein Platz dafür ist.
A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT erzählt von der Liebe in einer hypnotisierenden Zwischenwelt, die mythisch und doch bisher ungekannt ist. In spektakulären Schwarz-Weiß-Bildern gelingt der jungen iranisch-amerikanischen Regisseurin Ana Lily Amirpour ein doppelbödiges und sinnliches Traumspiel voll visueller Kraft und abgründiger Provokationslust.
(USA 2014, 99 Min., FSK: 12, R: Ana Lily Amirpour | OmU | Trailer bei YouTube)